Kommunale Finanzen am Limit
Ein Weckruf an Bund und Land
Die kommunalen Haushalte in Deutschland stehen vor einer finanziellen Belastung, die ein Ausmaß erreicht haben, dass es seit Jahrzehnten nicht mehr gab. Mit einem Negativsaldo von 24,9 Milliarden Euro in den ersten drei Quartalen 2024 hat der kommunale Finanzierungssaldo einen historischen Tiefpunkt erreicht. Um dies in Relation zu setzen: Solche Defizite wurden zuletzt in den wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen nach der Wiedervereinigung Anfang der 1990er Jahre verzeichnet – und selbst damals nur inflationsbereinigt auf einem niedrigeren Niveau. Dieses Ausmaß markiert vermutlich den Beginn oder hoffentlich schon das vorläufige Tal einer Krise, welche die Handlungsfähigkeit der Kommunen massiv einschränkt.
„Wolfenbüttel steht exemplarisch für viele Städte, die versuchen, trotz der schwierigen Rahmenbedingungen und nach wie vor einer guten Ausgangslage ihre Handlungsfähigkeit zu bewahren“, wie Bürgermeister Ivica Lukanic betont. Der Haushaltsplan der Stadt für die Jahre 2025 und 2026 zeigt ein prognostiziertes Defizit von 18,3 Millionen Euro. Trotz dieser ernüchternden Zahlen liegt Wolfenbüttel noch unter dem Durchschnitt vergleichbarer Kommunen in Niedersachsen, was für die bislang solide Haushaltsführung spricht. Das ist nur ein schwacher Trost, denn die Herausforderungen sind gravierend: Im Bereich der Energie- und Klimawende sind Investitionen von rund 55,5 Millionen Euro bis 2029 in den Ausbau der Stromnetze sind notwendig, um den Anforderungen der Energiewende gerecht zu werden. Diese Investitionen sind essenziell, aber ohne Unterstützung durch Land und Bund kaum zu stemmen.
Gesundheitsversorgung: Mit 13,98 Millionen Euro unterstützt Wolfenbüttel bis 2027 das örtliche Klinikum, um die medizinische Versorgung zu sichern. Ohne diese Zuschüsse wäre das Klinikum nicht zukunftsfähig – eine Aufgabe, die eigentlich Bund und Länder schultern müssten. Auch für Schulentwicklung und Betreuung sind im Rahmen des Rechtsanspruchs auf Ganztagsförderung Investitionen der Stadt bis 2031 in Höhe von rund 15,3 Millionen Euro nötig. Diese Mittel sind entscheidend für die Bildungsinfrastruktur, bringen die Stadt jedoch an ihre finanziellen Grenzen.
Ein wesentlicher Grund für die Belastung der Kommunen ist dabei die Verletzung des Konnexitätsprinzips. Bundes- und Landesgesetze übertragen den Städten und Gemeinden immer neue Aufgaben – von der Kinderbetreuung bis zur Klimaanpassung – ohne ausreichende finanzielle Mittel für die Aufgaben, die eigentlich in deren Verantwortung liegen, bereitzustellen. Die Kosten für diese Aufgaben steigen jährlich, während die Unterstützung stagniert oder sogar zurückgeht.
Unter Mitwirkung der Stadt Wolfenbüttel zeigt der Austausch mit den Kommunalen Spitzenverbänden und in Richtung der Landes- und Bundespolitik, dass diese Problematik nicht nur erkannt, sondern auch klar benannt wird. In der kommunalen Familie wird das in Diskussion über die Kita-Finanzierung oder die Umsetzung des Ganztagsbetriebes sichtbar während gleichzeitig die Förderung der Infrastruktur und Investitionen über wenig planbare und bürokratische Förderprogramme abgewickelt wird.
„Einsparungen sind wichtig werden allein allerdings nicht ausreichen, um diese Krise zu bewältigen“, so der Bürgermeister. Wolfenbüttel schließt sich daher dem Weckruf vieler anderer Städte an und formuliert deutliche Forderungen: Vollständige Finanzierung gesetzlich übertragener Aufgaben. Bund und Länder müssen ihren Verpflichtungen nachkommen und die Kosten für neue Aufgaben übernehmen. Es bedarf der finanziellen Entlastung und Entschuldung der Kommunen für Investitionen und einer strukturellen Reform des Finanzausgleichs: Die aktuelle Verteilung der Mittel ist nicht mehr zeitgemäß und benachteiligt insbesondere kleinere Kommunen. Planungssicherheit und Transparenz: Kommunen benötigen frühzeitig Informationen über Veränderungen bei Schlüsselzuweisungen und anderen Finanzierungsmechanismen, um vorausschauend planen zu können.
Fazit des Bürgermeisters: Ein Appell für nachhaltige Unterstützung. „Die finanziellen Defizite der Kommunen haben ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht, das selbst historische Krisenzeiten übertrifft. Kommunen wie Wolfenbüttel sind gezwungen, essentielle Investitionen allein zu tragen, während Unterstützung durch Bund und Länder ausbleibt. Ohne eine finanzielle Entlastung werden langfristig Lebensqualität und gesellschaftlicher Zusammenhalt gefährdet. Daher müssen Bund und Länder ihre Verantwortung wahrnehmen. Die Behauptung, dass Kommunen allein zur Stabilität der Gesellschaft beitragen können, ist nicht haltbar. Es ist unerlässlich, dass eine strukturelle Reform des Finanzausgleichs, die finanzielle Entlastung der Kommunen sowie die verbindliche Finanzierung gesetzlicher Aufgaben unverzüglich umgesetzt werden. Der Erhalt lebenswerter Städte und Gemeinden ist keine freiwillige Aufgabe, sondern eine gemeinsame Verpflichtung – und sie kann nicht aufgeschoben werden“, macht Ivica Lukanic deutlich.
Quelle: PM 28.01.2025