Innovationsfreude und Mut

Ein Interview mit Tobias Hoffmann
Innovationsfreude und Mut
Wie können Start Ups von größeren Unternehmen profitieren? Welche Vorteile ergeben sich daraus, sich zu vernetzen und gemeinsame Schritte zu wagen? Und was fehlt unserer Region mit Blick auf Innovation und Fortschritt vielleicht? Mit Tobias Hoffmann, Präsident der IHK Braunschweig, haben wir über die Lage von Start Ups und mittelständischen Unternehmen in der Region Braunschweig gesprochen.
Herr Hoffmann, wie schätzen Sie die Innovationsfreudigkeit des Mittelstands in der Region ein?
In der Region Braunschweig, für die ich sprechen darf als Präsident einer IHK, die ja neben Braunschweig auch Salzgitter, Wolfenbüttel, Peine, Helmstedt, Goslar mit einbezieht, ist es zum einen so, dass es technisch sehr innovationsfreudige Mittelständler gibt, andererseits ist die Region tatsächlich etwas konservativ geprägt. Die IHK Niedersachsen hat in einer Umfrage zur Innovationsfreudigkeit festgestellt, dass mit Blick auf COVID ein Drittel der befragten kleinen und mittelgroßen Unternehmen ihre Ausgaben in der Forschung und Entwicklung im Jahr 2020 erhöht haben. Und, dass sich weitere 50 % für 2021 nach damaligen Zeitpunkt eine Erhöhung vorgenommen haben. Mich macht das froh. Ich bin ja selber auch mittelständischer Unternehmer mit 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im produzierenden Gewerbe und ich finde uns im Kammerbezirk auch innovationsfreudig. Wir sind Nutznießer davon, dass wir in einer sehr forschungs- und entwicklungsfreundlichen Region leben. Gleichzeitig haben wir aber auch immer Rückmeldungen als Kammer bekommen, dass es administrative Hürden gibt wenn es darum geht als Unternehmen Unterstützung aus dem öffentlichen Bereich zu erhalten. Es gibt lange Prüf- und Planfeststellungsverfahren, Förderbedingungen, die sehr schwer zu durchdringen sind, Antragsverfahren, die zu kompliziert erscheinen. Ich betrachte das immer aus Sicht des Unternehmens. Häufig dauert es lange bis ein Förderbescheid positiv oder negativ beschieden wird, die Mittelabrechnung und Nachweisführung ist sehr ermüdend und das schreckt den einen oder anderen durchaus ab.
Geht es da explizit um neue Innovationen und ein „out of the box“-Denken?
Ja, und es geht insbesondere darum, dass junge Unternehmen oder kleinere Mittelständler nicht das Kapital haben, der großen Idee auch sofort mit großer Ausweitung ihres Personalstands oder der Entwicklungskapazitäten zu entgegnen. Die brauchen Hilfe und wenn die Bank kein Geld zur Verfügung stellt, weil die Unternehmung zu klein und das Risiko zu groß sind oder nicht genug Eigenkapital vorhanden ist, dann wird oft staatliche Förderung in Anspruch genommen – Innovationsförderung, Investitionsförderung. Das ist immer mit dem von mir beschriebenen und manchmal frustrierenden, lähmenden Mechanismus verbunden.
Ist die gestiegen Innovationsfreudigkeit, von der sie gesprochen haben, direkt auf die Corona-Pandemie zurückzuführen?
Ja. Ich hab mal im Studium gelernt: kein Fortschritt ohne Krise. Das ist im privaten Leben genau so. Wenn alles schön vor sich hin plätschert, das Einkommen gesichert ist und das Unternehmen jedes Jahr um 2-3 % wächst, da wird man als Unternehmer oder Unternehmerin schon mal träge und vor allem angreifbar. Man rechnet gar nicht mehr mit Wettbewerb. Wenn jetzt also Situationen auf Unternehmen zukommen oder auf eine ganze Volkswirtschaft, die so vieles infrage stellt, dass Märkte abbrechen, dass Nachfrage nachhaltig verschwindet oder unterdrückt wird, dass man gar keine Absatzmöglichkeit hat: das ist schlimmer noch als eine Krise. Das ist ein richtiger Schock. Diejenigen, die heute nicht schlechter oder nicht gefährdeter dastehen als vor Corona, die haben sich in dieser Zeit sehr starke Gedanken um ihr Geschäftsmodell und ihren Auftritt am Markt gemacht und haben sicherlich gemerkt, dass sie agiler und beweglicher werden müssen, dass ihr Produkt oder ihre Dienstleistung zu ändern ist.
Das konnten wir beispielsweise beim Umschwung von Textilfertigung auf medizinische Produkte oder beim Außer-Haus-Verkauf von Gastronomien sehen. In den meisten Unternehmen hat sich das erstaunliche Vermögen gezeigt, sehr schnell die Segnungen der Digitalisierung zu nutzen. Es war bisher nicht unbedingt notwendig, Konzepte wie Home-Office oder digitale Vertriebskanäle zu nutzen. Aber jetzt, wo sich gezeigt hat, dass ein Umdenken lebenswichtig ist, stelle ich mit Freude fest, dass wir doch im Schnitt in der Wirtschaft Digitalisierung deutlich besser nutzen und auch neue Anforderungen an Bandbreite, Hardware, Software und auch an die Skills unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen. Natürlich auch an uns als Unternehmen.
Müssten mehr Anreize geschaffen werden, um diese Innovationsfreude grundsätzlich zu steigern, dass es eben nicht einer Krise bedarf, um an Bestehendem zu rütteln?
Ja, ich glaube sogar, dass der kluge Unternehmer oder die kluge Unternehmerin, sich das, was jetzt die letzten Jahre passiert ist, hinter die Ohren geschrieben hat. Das ist ein Lehrbeispiel dafür, dass es auch immer Krisengewinner gibt, und denen darf man nicht böse sein. Sie waren schneller in der Lage andere Voraussetzungen intelligenter oder konsequenter zu nutzen. Davon können die behäbigeren Unternehmen durchaus lernen, sie müssen sogar lernen, das auch einiges in Zukunft nicht mehr so sein wird, wie es einmal war.
Was müsste sich denn bei den bürokratischen Angelegenheiten ändern, damit es Unternehmen vereinfacht wird, ihrer Innovationsfreudigkeit nachzugehen?
Unternehmen und Schulen beispielsweise waren unter den aktuellen Umständen angehalten, sich stärker digital aufzustellen. Das ist eindeutig etwas, dass wir jetzt auch von den Behörden und vom Staat erwarten. Mit dem Staat und den Behörden ist es nach wie vor ein Papierkrieg und das, was von der Wirtschaft erwartet wird, wird längst nicht in Vorleistung gegeben. Antragsverfahren, Formularwesen, Statistik – das ist schon deutlich eleganter, als vor fünf Jahren, aber es kommen ja auch viele neue Anforderungen hinzu. Das Steuerwesen zum Beispiel ist immer noch wenig digitalisiert. Da wird viel versprochen, aber es ist offensichtlich sehr behäbig. Baugenehmigung sind sehr spröde Verfahren, sehr viele Beteiligte, sehr viel Papier. Ich halte das für einen Standortnachteil.
Wenn wir jetzt mal an Startups denken, haben sie das einfacher, weil sie jung und agil sind?
Man sagt ja: Kinder lernen gut und schnell viele Sprachen, weil für sie sowieso alles neu ist und weil sie ein Gehirn haben, das neues aufsaugt. Wer etabliert ist, ist aus dieser Phase raus und versucht seine Schäfchen dort zu sortieren, wo er am meisten akkumuliert und absichern kann. Wer in ein Stadium der Konsolidierung und Absicherung kommt, hat nicht mehr so viel Kopf und Muskel frei für Neues, für das Risiko und das Ungewöhnliche. Der ist „in the box“ und nicht mehr gewohnt „out of the box“ zu denken. Die Menschen, die sich entscheiden zu gründen haben vielleicht nicht im bestehenden Rahmen als Angestellte oder als gewerbliche Arbeitnehmer ihre Zukunft gesehen. Ihnen ist die Nervosität, der Drive und der Wumms gerade zu angeboren und deshalb gehen sie Risikos ein, was es definitiv notwendig macht widerstandsfähiger und beweglicher zu sein.
In welcher Form könnten denn etabliertere Unternehmen von Startups profitieren?
Die etablierten könnten sich was an Beweglichkeit abschauen. Ich komme wieder zurück auf die Box, sich mal neben sich selber zu stellen und sich mit anderen Augen kritisch durchleuchten zu lassen und zu überlegen, ob es, bloß, weil es jetzt zehn Jahre gut war, deshalb richtig oder besser ist, als ein anderer Ansatz. Und was Risikofreude angeht bin ich der Meinung, dass das ein oder andere Unternehmen, dass sich im Prinzip zehn Jahre lang auf ein gängiges Produkt verlässt und dort wenig Innovation betreibt, sehr risikoreich lebt. Das ist bequem, aber risikoreich. Wenn das Unternehmen nicht intern Änderungsfreude und -willen zeigt, dann ist das ein gefährlicher Pfad.
Welche konkreten Arten der Zusammenarbeit von Unternehmen und Startups bieten sich denn an?
Heutzutage ist es ja kein Geheimnis mehr, dass sich auch mittelständische Unternehmen in Deutschland durchaus erlauben und leisten selber in Startups zu investieren, beziehungsweise Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ermutigen sich zu verselbstständigen. Das finde ich eine sehr spannende Geschichte.
Oder mal in der Region den Blick schweifen zu lassen, sehr genau zu identifizieren, wo risikofreudige Menschen und Unternehmertypen sind, die bereit sind, auch durchaus parallel zum bestehenden Geschäft neue Dinge zu erarbeiten, um festzustellen, ob man nach einigen Jahren nicht einen positiven spin of auf das eigene Unternehmen, das eigene Produkt oder die eigene Fertigung, erreicht. Das halte ich für ein kluges Vorgehen.
Das bietet Vorteile für beide Seiten. Die Startups bekommen das Gefühl, dass ihre Arbeit, ihr Produkt und die Ideen geschätzt und gefragt sind, bleiben so risikofreudig und haben Freude am Beschreiten neuer Wege. Etablierte, konsolidierte Unternehmen haben den Vorteil, dass sie lernen können und in Bezug auf Prozesse, Projekte oder Produkte bereichert werden.
Bietet denn die Region Braunschweig Möglichkeiten zur Vernetzung?
Braunschweig ist sehr interessant weil die ganze Region Braunschweig mit Wolfsburg und Umland, Wolfenbüttel, Salzgitter, Goslar, Peine und Helmstedt, eine Forschungslandschaft ist, die immer sehr gelobt wird. Wir stellen aber fest, dass die Forschung einerseits getrieben ist durch öffentlich-rechtliche Einrichtungen wie Hochschulen Forschungsinstitute und nachgelagerte anverwandte Einrichtungen und durch den Entwicklungsbedarf eines sehr mächtigen Akteurs, eines kapitalmarktorientierten Unternehmens. Da hat der Mittelstand höchstens eine verbindende Funktion. Entweder wird dem einen oder dem anderen Bereich zugearbeitet. Was der Region Braunschweig insgesamt fehlt, würde ich sagen, sind die großen mittelständischen Namen und Adressen, wo auch die Eigentümer in der Region verankert sind. Da gibt es nur wenige Beispiele, aber leider kaum Mittelständler, die nennenswert mehr als 1000 oder 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben und dann auch hier in der Region die Entscheidung fällen könnten, welche Mittel für was frei geschaufelt und investiert werden können. Da kann man nur dafür werben, dass auch die vielen größeren Betriebe unserer Region, deren Konzernmütter oder deren Entscheidungsebenen eben nicht in der Region Braunschweig liegen, sondern irgendwo in Deutschland, Europa oder der Welt, den lokalen Akteuren Freiräume bieten, um neue Wege zu gehen. Bosch in Salzgitter beispielsweise hat mit der Wasserstoffinitiative offensichtlich Freiräume bekommen, mit anderen Akteuren aus der Privatwirtschaft und aus öffentlich-rechtlich veranstalteter Forschung und Entwicklung was auf die Beine zu stellen. Sowas halte ich für ein Projekt, dass Mut macht für andere Aktion.
Kann denn die IHK eine verbindende Rolle spielen in diesen Prozessen?
Die IHK ist geprägt von 40.000 Pflichtmitgliedschaften und wir können weder am Startup-Markt, noch irgendwo anders aktiv investieren. Was wir aber haben ist die Möglichkeit zu vermitteln und Verbindungen und Verknüpfungen zu fördern. Netzwerke können wir aufbauen und weiterentwickeln, wir können motivieren und dürfen in beschränktem Ausmaß auch beraten, beziehungsweise Hinweise zu gewerblicher Beratung hier in der Region geben. Wir können als Multiplikator wirken und haben ein monatlich erscheinendes Organ, welches seit über 25 Jahren erfolgreich mit Freude über Technologietransfer berichtet. Die IHK selber lobt den Technologietransferpreis aus und einige dieser Preisträger sind heute namenhafte Unternehmen der Region. Aerodata Flugmesstechnik GmbH am Flughafen in Braunschweig oder SYMPATEC GmbH in Clausthal-Zellerfeld – daran sieht man schon: die Region, da ist nicht nichts, aber es wäre schön, wenn es noch ein bisschen mehr wäre.
Das heißt aber, das grundsätzliche Interesse an mehr Austausch ist da?
Die IHK ist sehr interessiert, weil wir uns über jedes neue Mitglied freuen und wir ja auch nur davon leben, dass es Unternehmen gibt, die letztendlich gewinnorientiert mit Freude hier ihr Einkommen für sich und ihr Umfeld generieren.
Das Interesse von Unternehmen muss immer wieder generiert werden. Wir müssen uns als IHK immer wieder nachhaltig ins Gespräch bringen und immer wieder diese Kontakte knüpfen. Das ist ja auch ein Vorhaben des neuen Braunschweiger Oberbürgermeisters Dr. Thorsten Kornblum, den Gesprächskreis und dieses Plenum als Bindeglied zwischen Wirtschaft und Wissenschaft wieder stark in den Vordergrund zu rücken. Da sind wir die ersten, die sowas begleiten, unterstützen und nach Kräften mitwirken. Der TransferHub der hiesigen Hochschulen ist auch ein gutes Netzwerk.
Was könnte es denn für Herausforderungen in der Zusammenarbeit von Unternehmen und Startups geben?
Zunächst ist es erstmal gut, als Jungspund auch mal zuzuhören, wenn etwas erfahrenere Leute erzählen, wie sie mal die ersten beiden Krisen überstanden haben. Und, dass es irgendwie doch immer weitergeht. Und es wäre auch gut, wenn alle begreifen, dass, wenn man mal geschäftlich auf die Schnauze gefallen ist, kein Versager ist. Das ist in angelsächsischen Kulturräumen verbreiteter. In unserer sicherheitsorientierten Gesellschaft ist es häufig mit einem Makel verbunden geschäftlich gescheitert zu sein. Das ist schade. Das wird der Sache nicht gerecht und fördert auch nicht den Mut, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Ich wünschte, das wäre anders. Wir müssen immer wieder das Gute predigen, was wir haben. Nicht jedes Startup hat die Traute und das Selbstbewusstsein jetzt auch fordernd am Kapitalmarkt aufzutreten und zu sagen: hier ist unser Teil der Arbeit – Idee, Projekt, Prozess, Produkt – eure Aufgabe ist es mit Risikofreude dort einzutreten und Mittel zur Verfügung zu stellen, die wir brauchen. Da sehe ich auch Schwierigkeiten auf der Kapitalseite. Banken haben nicht die Aufgabe mit Kundengeldern, die sie verwalten, unübersehbare Risiken eingehen. Der Staat kann und darf es auch nicht. Er macht es begrenzt in Förderverfahren. Ich hatte aber schon beschrieben, dass diese Förderverfahren viel Bürokratie erfordern. So ungerechtfertigt ist das aber nicht, der Staat geht ja auch mit Steuergeldern von uns allen in die Bütt.
Und dann kommt der private Bereich – wo sind denn die privaten Geldgeber? Gibt es in der Region Braunschweig privates Geld, dass Freude und Bereitschaft mitbringt sich in ein Investitionsrisiko zu begeben? Wir sind im Vergleich keine arme Region. Es gibt nennenswertes, liquides Kapital, aber dieses Kapital findet nicht in dem erforderlichen Ausmaß den Weg in diese Hochrisikoanlagen. Es ist kein Problem hier in der Region für 200.000 Euro jemanden zu finden, der Lust hat, einen Aktienfonds zu kaufen. Da gibt es gefühlt 20 Anbieter und tausende Nachfrager, die gerade heute in diesem Moment so viel Geld bar übrig haben und kaufen, weil sie das Geld, wenn es schlecht läuft, innerhalb von zwei Tagen liquide wieder haben – zur Not mit Verlust.
Das ist ein Unterschied, wenn ich 2 Millionen Euro liquide auf den Tisch lege und mich mit einem Notartermin und einem Gesellschaftervertrag als Gesellschafter am Eigenkapital einer jungen Firma beteilige. Wir verfolgen ja gerade in der Presse diese atemberaubende Geschichte um das Coronapräparat. Wir lernen gerade, wie langwierig und risikoreich so etwas ist, dass es Monate lang so aussehen kann, als wäre das Geld verloren, weil ein zu langes Genehmigungsverfahren läuft oder weil links und rechts gerade Wettbewerber vom Kapitalmarkt, amerikanische Pharmafirmen, überholen. Was für eine Nervenbeanspruchung sowohl für die Geldnehmer, als auch vor allem für die Geldgeber. Das ist schon mal eine ganz andere Hausnummer. Und es ist leider so, dass die Region Braunschweig viele Leute hat, die mal 200.000 Euro für Aktien ausgeben können, aber es gibt so wenig Leute, die den Mumm und Mut haben die liquiden Mittel mal eben mit ein oder zwei Millionen Euro im Eigenkapital einer Unternehmung zu beteiligen. Das Geld kriegen sie nämlich nicht wieder wenn es schlecht läuft. Da gehen sie mit hoch oder mit runter.
Sie haben gesagt, Investoren haben keinen Mumm. Was müsste denn passieren, welche Anreize müsste man schaffen, um dem entgegenzuwirken?
Man müsste vielleicht tatsächlich mal ein Erfolgserlebnis hier in der Region miterleben. Das könnte ja einen ermutigenden Ausgang finden. Aber ich spreche extra im Konjunktiv, ‚könnte‘. Hoffentlich gibt es mehr Menschen, die Freude haben auch Investorenglück zu suchen und das Investorenpech mit ins Kalkül zu nehmen. Das ist ein ganz normaler kapitalistische Grundsatz. Noch ist unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung eine Marktwirtschaft, eine soziale Marktwirtschaft, aber immer noch eine Marktwirtschaft und da muss Risikofreude auch belohnt werden. Zum Beispiel mit Gewinnerwartung und Renditeerwartung.
Es gibt ja Businessangel-Organisationen in der Region, und private Wagnisinvestoren wie Borek Digital, die würden vielleicht auch gut daran tun ein oder zwei wirklich nachvollziehbare Erfolgsstories zu präsentieren und zu zeigen, dass sowas möglich ist. Wir wissen auch, dass nicht alle so publikumswirksam sein wollen. Manche sind recht scheu mit ihrem Erfolg und wollen sich lieber zurückhalten. Das ist durchaus nachvollziehbar, weil die Freude am Verdienst des anderen in unserer Gesellschaft nicht so sehr ausgeprägt ist. Das ist in den angelsächsischen Ländern anders, da freut man sich mit jedem, der mit dem Mut zum Risiko Erfolg hat. Es bedeutet ja, dass Arbeitsplätze gesichert sind. Als Investor sichert man ein Startup, aus einem Startup kann ein etabliertes Unternehmen werden. Das hat einen guten Effekt auf die Gesellschaft. Wir haben einen Lohnsteuerzahler, wir haben ein Umsatzsteuerzahler, sogar einen Ertragssteuerzahler. Mehr kann sich doch eine Gesellschaft gar nicht wünschen. Und wir haben wieder einen Mieter, der ein kleines Büro räumt und eine größere Lage sucht, und damit auch dem Büro- und Gewerbebaumarkt etwas Gutes tut. Es gibt nur Gewinner davon, aber es bedarf tatsächlich einiger erfolgreicher prominenter Beispiele, die Mut machen.
Wie schätzen Sie denn grundsätzlich die Lage für Startups in der Region ein?
Wir haben ja eine forschungsintensive Region und das liegt auch daran, dass wir sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Instituten – Hochschulinstituten, öffentlich-rechtliche oder auch das ein oder andere private – das ist eine erfreulich große, kritische Masse an Menschen, von denen immer ein bestimmter Prozentsatz heraus den Mut findet, alleine oder gemeinsam einen neuen Weg zu gehen. Die Voraussetzungen in unserer Region sind gar nicht schlecht. Und das Mut machen und das begleitende Finden von Risikokapital, das wäre möglicherweise eine Aufgabe, die die Beteiligten noch konzentrierter und abgestimmter machen müssen. Geld ist so flüssig und so beweglich, es muss ja nicht immer aus der Region kommen. Wenn es gelingt, die Region als Investorenstandort in der Republik oder darüber hinaus zu platzieren – durch Erfolgsgeschichten, durch schlanke Verfahren oder durch starke Netzwerke, ist enorm was gewonnen, nämlich genau die Gewinne, die ich erläutert habe.