Elektromobilität: Kabelloses Laden im Alltag
Induktive Ladestation am Niedersächsischen Forschungszentrum Fahrzeugtechnik (NFF) im Einsatz
Das induktive Laden von Elektrofahrzeugen ist eine innovative Ladetechnik, die ein komfortables, kabelloses Ladeerlebnis ermöglicht. Neben einer erhöhten Sicherheit durch den Verzicht auf sichtbare Kabel bietet sie im Hinblick einer Automatisierbarkeit von Ladevorgängen hohes Potenzial. Die Technische Universität Braunschweig hat im Verbund mit Partnern ein stationäres induktives Ladesystem aufgebaut und umfangreich getestet. Installiert wurde das System am NFF. Genutzt wird es vom Gebäudemanagement der TU Braunschweig, das das induktive Laden in ihrem Betriebsablauf integriert hat.
Im Forschungsprojekt LISA4CL haben zwei Institute der Technischen Universität Braunschweig und die INTIS GmbH ein stationäres induktives Ladesystem für Elektrofahrzeuge entwickelt, das eine Ladeleistung von 22 kW bietet. Am elenia Institut für Hochspannungstechnik und Energiesysteme und am Institut für Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen (IMAB) der TU Braunschweig erfolgten Komponententests für die induktive Ladetechnologie. Bei der INTIS GmbH wurde das induktive Ladesystem aufgebaut und ein Erprobungsfahrzeug der leichten Nutzfahrzeugklasse modifiziert. Im Anschluss daran wurde das Gesamtsystem zur Vorbereitung für die Feldtests in Zusammenarbeit mit der TU Braunschweig umfangreich erprobt. Dies beinhaltete sowohl Systemfunktions- als auch Sicherheitstests zur Gewährleistung der Praxistauglichkeit.
Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) förderte das Projekt LISA4CL im Rahmen der Förderrichtlinie Elektromobilität für vier Jahre mit rund 1,6 Millionen Euro bis März 2024. Für die Durchführung des Projekts erhielt die TU Braunschweig über 1,3 Millionen Euro, aufgeteilt auf das elenia Institut für Hochspannungstechnik und Energiesysteme und das Institut für Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen (IMAB). Neben dem Projektpartner INTIS GmbH waren Fairsenden, die Berliner Agentur für Elektromobilität eMO und VW Nutzfahrzeuge assoziierte Partner. Als Projektträger fungierte PtJ (Projektträger Jülich). Die Umsetzung der Förderrichtlinie wurde von der NOW GmbH (Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) begleitet.
Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr: „Das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben LISA4CL eröffnet die Möglichkeit, das kabellose Laden, das bereits bei Mobiltelefonen zum Alltag gehört, nun auch für Elektrofahrzeuge in der City-Logistik zu nutzen. Insbesondere für die Barrierefreiheit verspricht das induktive Laden eine erhebliche Erleichterung, da es den Zugang zur Ladeinfrastruktur wesentlich vereinfacht. Das BMDV unterstützt den Technologie- und Innovationstransfer, um die Dekarbonisierung des Verkehrssektors zu beschleunigen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu unterstützen. Die Förderung von LISA4CL ist Teil dieser Bemühungen.“
Professor Bernd, Institutsleiter des elenia an der TU Braunschweig: „Intelligente Ladekonzepte sind unabdingbar für die Netz- und Systemintegration von Elektrofahrzeugen. Sie ermöglichen einen ökologisch sowie ökonomisch optimierten Betrieb von Elektrofahrzeugflotten.“
In der Feldtestphase kam das induktive Ladesystem zunächst bei Fairsenden in Berlin im innerstädtischen City-Logistik-Betrieb zum Einsatz. Für den Praxisvergleich mit kabelgebundener Ladeinfrastruktur lief bei Fairsenden bereits ein Feldtest mit konduktiven Ladepunkten[1]. In der letzten Phase des Projektes wurde die induktive Ladetechnik am Niedersächsischen Forschungszentrum Fahrzeugtechnik (NFF) in Braunschweig installiert. Für die Untersuchung des induktiven Ladens im regelmäßigen Praxiseinsatz nutzt das Gebäudemanagement der TU Braunschweig das Prototypenfahrzeug. Der Betrieb des Ladesystems erfolgt über das Projektende hinaus, um eine Langzeituntersuchung der induktiven Ladetechnik zu ermöglichen.
Zur Technik: Ein induktives Ladesystem besteht aus einer straßen- und einer fahrzeugseitigen Komponente. Mit Hilfe von Magnetspulen wird Energie über einen Luftspalt berührungslos vom Straßenboden zum parkenden Fahrzeug übertragen. Im Fahrzeug wird die elektrische Energie über leistungselektronische Schaltungen in die Hochvoltbatterie gespeist.
Erkenntnisse aus der Entwicklung und Erprobung eines induktiven Ladesystems
Das entwickelte induktive 22 kW-Ladesystem wurde als Prototyp aufgebaut. Das System kann in einen Leistungspfad für die Energieübertragung und einen Kommunikationspfad für die Steuerung der einzelnen Komponenten des Systems unterteilt werden. Die umgesetzte Ladekommunikation zwischen den straßenseitigen Komponenten des Systems und dem Fahrzeug orientiert sich an vorliegenden Normen in diesem Bereich. Für Kommunikations- und Steuerungsaufgaben wurden Hard- und Softwarekomponenten entwickelt, die auf der Infrastrukturseite und der Fahrzeugseite des induktiven Ladesystems integriert wurden.
Der Systemwirkungsgrad ist für das entwickelte System durchgehend hoch und wird auch durch ungenaues Parken nicht wesentlich verringert. Voraussetzung für diese Eigenschaften ist die Optimierung insbesondere des induktiven Übertragungssystems auf die konkreten Anforderungen der Anwendung. Hierbei hat sich gezeigt, dass für die Maximierung des Gesamtwirkungsgrades neben der Betrachtung des Gesamtsystems auch die Optimierung aller Einzelkomponenten von großer Bedeutung ist. Bei der Auslegung ist zusätzlich die Berücksichtigung fahrzeugspezifischer Randbedingungen notwendig.
Leichte Nutzfahrzeuge bieten ausreichend Bauraum, um wirkungsgradoptimierte Systeme verbauen zu können, die eine Toleranz gegenüber dem Versatz der Spulen aufweisen, der beim manuellen Parken entstehen kann. Im Nutzraum des Fahrzeugs ist ein möglichst geringer Platzbedarf erstrebenswert. Eine platzsparende Integration des Systems ist in dieser Fahrzeugklasse möglich. „Nahtlos ins Fahrzeug integrierte induktive Ladesysteme mit einem hohen Wirkungsgrad sind ein wesentlicher Schlüssel für die Verbreitung der kontaktlosen Ladetechnik im Fahrzeugbereich. Der Ladevorgang kann damit vereinfacht werden und gleichzeitig bietet induktive Ladetechnik großes Potenzial für den autonomen Verkehr“, sagt Prof. Markus Henke vom Institut für Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen (IMAB) der TU Braunschweig.
Für den zukünftigen Serieneinsatz müssen derartige System interoperabel sein. Aus diesem Grund befassen sich aktuell auch Normungsgremien mit induktiven Ladesystemen. Eine Einbringung von Ergebnissen des entwickelten Systems, zum Beispiel das Spulendesign, bei der aktuellen Standardisierung von induktiven Ladesystemen der Leistungsklasse 22 kW ist geplant. Hierfür werden Empfehlungen aus dem Projekt in Standardisierungsgremien erarbeitet. Das entwickelte Ladesystem ist auf das aktuelle Versuchsfahrzeug abgestimmt. In weiteren Entwicklungsprozessen ist auch eine Optimierung auf den PKW-Bereich vorstellbar.
Realbetrieb des induktiven Ladesystems in Feldtests
Mit den Feldtests wurde gezeigt, dass die Technologie des induktiven Ladens im Realbetrieb technisch umsetzbar und funktionsfähig ist. Das induktive Laden wurde sowohl von Fairsenden als auch vom Gebäudemanagement der TU Braunschweig in die jeweiligen Betriebsabläufe eingebunden. Von den Nutzern wurde das System in der Anwendung positiv bewertet. Weiterhin hat sich im bisherigen praktischen Einsatz gezeigt, dass der Wartungsbedarf an der Technik gering ist.
Die aufgenommenen Daten zu den Ladevorgängen im Feldtest in Berlin zeigen, dass das induktive Ladesystem alltäglich genutzt wurde. Es fanden Ladevorgänge über Nacht nach Betriebsende sowie Zwischenladestopps, auch als Gelegenheitsladen bezeichnet, über den Tag verteilt statt. Die induktive Ladetechnik bietet eine einfache und nutzerfreundliche Integration des Gelegenheitsladens. Ladevorgänge können direkt vom Fahrersitz aus nach Ende einer Fahrt gestartet werden. Die dadurch vereinfachte Bedienung zeigt das Potenzial des kontaktlosen Ladens im Hinblick auf die Optimierung von Betriebsabläufen.
Vorteile gegenüber dem kabelgebundenen Laden
Damit sich die induktive Ladetechnik am Markt etablieren kann, muss sie für den Anwender praktische Vorteile gegenüber der konventionellen Ladetechnik bieten. Für gewerbliche Nutzer*innen der Fahrzeuge sind hierbei Vereinfachungen im Betriebsablauf und eine hohe Nutzungsquote entscheidend.
Für die Beurteilung dieser Faktoren und den Vergleich zum konduktiven Laden sind Informationen aus dem Realbetrieb der Ladetechnik erforderlich. Sowohl die kabelgebundenen Ladepunkte im konduktiven Feldtest in Berlin als auch die induktive Ladestation sind mit einem zentralen Lademanagementsystem, auch als Backend bezeichnet, verbunden, das Daten von Ladevorgängen aufzeichnet. Weiterhin wurden mit Leistungsmessgeräten erforderliche Ladedaten von Ladevorgängen aufgenommen. Dabei hat sich gezeigt, dass mit dem kabellosen Laden im praktischen Einsatz Wirkungsgrade möglich sind, die mit denen des kabelgebundenen Ladens vergleichbar sind.
Der Feldtest in Berlin zeigt, dass – verglichen zum konduktiven Laden – das Gelegenheitsladen mit dem induktiven Ladesystem erheblich häufiger als Ladeoption gewählt wurde. Das Gelegenheitsladen fand größtenteils bei der Beladung des Fahrzeugs am Depot statt. Hierbei kommt der Vorteil des einfachen und nutzerfreundlichen Startens von Ladevorgängen zur Geltung. Ein positiver Effekt der zusätzlichen Ladevorgänge ist, dass sich die Reichweite von Fahrzeugen im Betriebsablauf erhöht. Der Vorteil der Nutzerfreundlichkeit reduziert zusätzlich die Gefahr, dass Ladevorgänge im Betriebsablauf vergessen werden. Ein weiterer Nutzen des kontaktlosen Ladens ist der Wegfall des Ladekabels, das beim Be- und Entladen von Fahrzeugen ein Störfaktor sein kann. Darüber hinaus wurde das Erprobungsfahrzeug ausschließlich induktiv geladen, obwohl konduktives Laden weiterhin möglich war. Dies zeigt die Zuverlässigkeit und eine hohe Akzeptanz der induktiven Ladetechnologie.
Auswirkungen auf das Stromnetz und intelligente Ladekonzepte
Die Netz- und Systemintegration von induktiver Ladeinfrastruktur ist wie beim konduktiven Laden ein zentraler Gesichtspunkt vor dem Hintergrund eines netzorientierten und erzeugungsorientierten Betriebs. In Bezug auf die Untersuchung von Netzrückwirkungen des induktiven Ladesystems wurde an der Schnittstelle des Ladepunkts zum Stromnetz ein Netzanalysemessgerät integriert, mit dem sowohl Daten zur Netzqualität als auch Daten zur Energieaufnahme aufgezeichnet werden.
Die Analyse der Daten zeigt, dass die Netzrückwirkungen eines einzelnen induktiven Ladesystems gering ausfallen. Im Hinblick auf eine zukünftig steigende Zahl von batterieelektrischen Elektrofahrzeugen und Ladepunkten sind negative Effekte auf die Stromnetzqualität nicht auszuschließen. Simulationen im Rahmen des Projekts machen deutlich, dass bei einer hohen Durchdringung von Elektrofahrzeugen Herausforderungen bezüglich Spannungshaltung und Betriebsmittelauslastung auftreten. Die untersuchten Konzepte zum netzorientierten Laden bieten eine Möglichkeit, die Netzrückwirkungen zu minimieren und die Netzstabilität zu erhalten. Dies wurde mittels Simulationen und Laboruntersuchungen validiert. Auch induktive Ladepunkte ermöglichen technisch die Umsetzung von netzorientierten Ladeverfahren.
Aus Systemsicht ist eine gezielte Integration von erneuerbaren Energien beim Laden von Elektrofahrzeugen maßgeblich. Untersuchungen im Rahmen des Projekts haben auch gezeigt, dass erzeugungsorientierte Ladekonzepte die Wirtschaftlichkeit von Elektrofahrzeugflotten erhöhen und deren CO2-Bilanz verbessern können.
Quelle: PM 20.09.2024